Hermann Schittenhelm (Dirigent von 1927-1967)

Hermann Schittenhelm (1893-1979) war ohne Zweifel das Urgestein der Harmonika und eine Vaterfigur für alle, die sich der Volksmusik auf der Handharmonika und dem späteren Akkordeon verschrieben hatten. In einer Art unerschütterlicher Naivität des musikalischen Empfindens, mit unfehlbarem Instinkt für den „richtigen" Klang seines Instruments, als Meisterspieler mit dem Charisma eines heutigen Popstars in seinen Konzerten umjubelt, gründete er aus der Keimzelle seines „Schittenhelm-Quintetts" das heutige Hohner-Akkordeonorchester 1927. Er prägte in über 40 Jahren als Dirigent dessen volkstümlich-populären Musizierstil und einen typischen, unverwechselbaren Klang, der nicht zuletzt auch den damaligen Instrumenten zuzuschreiben war und Jahrzehnte überdauerte. Polkas, Walzer, Märsche, Ouvertüren und Potpourris — das war die musikalische Welt Hermann Schittenhelms, die er in gekonnten Arrangements stilsicher auf sein Orchester übertrug und deren Interpretation ihm zeit seines Wirkens den begeisterten Applaus des Publikums sicherte. Das Orchester — man könnte es als sein Lebenswerk bezeichnen — schuf mit seinen Erfolgen auch die Grundlage für die Entwicklung der Akkordeonorchester-Bewegung im Deutschen Harmonika-Verband.

Rudolf Würthner (Dirigent von 1967-1974)

Qualität hat ihre Namen! So konnte sich das Orchester glücklich schätzen, als 1968 Rudolf Würthner (1920-1974) das Amt des Dirigenten übernahm. Schon zur damaligen Zeit durch seine triumphalen Erfolge mit dem Orchester des Hauses Hohner eine Legende, war Rudolf Würthner sich durchaus der Verpflichtung gegenüber der volkstümlichen Tradition des Orchesters wie auch dessen Laienstatus bewusst. So sah er seine Aufgabe darin, neben der Steigerung des instrumentalen Niveaus vor allem das Repertoire durch zahlreiche Bearbeitungen konzertanter, aber ebenso populärer Musik zu erweitern. Diese ermunternde Initiativkraft und künstlerische Kreativität hatte denn auch einen hörbaren Qualitätssprung des Orchesters zur Folge. In zahlreichen Konzerten, Rundfunkaufnahmen und Fernsehauftritten sowie der Teilnahme an internationalen Festivals stellte das Orchester seine neu erwachte Leistungsfähigkeit unter Beweis.

Leider waren dieser Erfolgsstory nur sechs Jahre vergönnt. Inmitten neuer Lebensaufgaben, zu denen auch die weitere künstlerische Formung dieses Laienorchesters zählte, starb Rudolf' Würthner — ein trauriges, schmerzvolles Finale für eine Zusammenarbeit, die viele hoffnungsvolle Erwartungen in sich trug.

Hans Rauch (Dirigent von 1974-1976)

"Rhythmus und Freude — Musik für Ohr und Herz"  — so könnte man die musikalische Lebensmaxime Hans Rauchs (1929-1983) beschreiben, der in der kurzen Episode seines Dirigats — es waren zwei Jahre — wie seine Vorgänger versuchte, das Orchester nach seinen künstlerischen Vorstellungen zu formen. Es waren weniger seine dirigentischen Fähigkeiten als seine feinsinnige und kammermusikalische Arrangierkunst wie auch sein frisches, unkompliziertes Musikantentum, welche eine neue Ära und gleichzeitig eine neue musikalische Richtung einleiten sollten. AIs ehemaliger Schüler von Hermann Schittenhelm sah er sich zwar der Klangauffassung seines Lehrmeisters eng verbunden, was besonders sein hervorragendes Solospiel beeinflusste, nicht so sehr aber seiner Orchesterarbeit. Hier versuchte er mit den ausgeklügelten, farbigen Finessen seiner Arrangements den Klangkörper mehr in das Kostüm einer allzu leichten, manchmal leider auch seichten Unterhaltungs- und Tanzmusik zu pressen, was dem eher kernigen, konzertanten Musizierstil des Orchesters nicht entsprach. Trotz des „leichten Entertainments" aber war die Zeit Hans Rauchs ein Gewinn, da sein schöpferisches Talent nie ruhte und in den Proben viel Neues und Ungewohntes musiziert wurde, was die spielerische Flexibilität der Orchestermitglieder ebenso forderte wie förderte. VielIeicht wäre es im Laufe der Zeit doch noch zu einem schöpferischen Miteinander von Orchester und Dirigent gekommen, doch eine schwere Erkrankung von Hans Rauch und das Ende seiner Tätigkeit ließen diese Frage unbeantwortet.

Karl Perenthaler (Dirigent von 1976-1991)

Der frühere Konzertmeister des Orchesters des Hauses Hohner und brillanter Akkordeonsolist übernahm 1976 in einer schwierigen Phase den Dirigentenstab. Wenn auch der Spieler-Stamm aus Hohner-Mitarbeitern noch vorhanden war, so scharten sich doch mehr und mehr junge Musiker, u.a. auch aus dem Hohner-Konservatorium, um diesen Kern, allerdings im häufigeren Wechsel! Die personelle Fluktuation gab zwar von Zeit zu Zeit Probleme, doch Karl Perenthaler, damals Dirigierlehrer am Hohner-Konservatorium, nahm die Herausforderung, das „Schittenhelm-Orchester" zu neuen Erfolgen zu führen, mit Enthusiasmus an. In seiner musikalischen Grundauffassung geprägt und auch verharrend in der Trossinger Harmonika-Tradition, gab er in den Proben dem unter H. Schittenhelm und R. Würthner erarbeiteten Standard-Repertoire zunächst neuen Schliff. Seine Ernsthaftigkeit und das Bewusstsein, die Interpretation auf dem soliden Boden handwerklich-methodischen Dirigierens und technischer Sauberkeit des Instrumentalspiels zu entwickeln, führte das Orchester zu einem neuen Selbstverständnis und Selbstvertrauen. Im Kanon der zahlreichen deutschen Akkordeonorchester verkörperte es fortan wie früher in besonderer Weise das Image Trossingens als Stadt der Harmonika. Karl Perenthalers Musizier- und Dirigierstil, einfach und klar, ohne Schnörkel und manchmal fast zu didaktisch streng, war der wesentliche Baustein für ein neues musikalisches Fundament des Trossinger Orchesters in über 15 Jahren.

Johannes Baumann (1959; Dirigent seit 1992)

Seit 1992 wird das Orchester von Johannes Baumann dirigiert, der als relativ junger Dirigent die Nachfolge der unvergessenen Berühmtheiten Hermann Schittenhelm, Rudolf Würthner, Hans Rauch und Karl Perenthaler antrat.

1959 in Oberkirch/Baden geboren, ist er Absolvent des Hohner Konservatoriums. Seine dirigentische Aus- und Weiterbildung genoss er bei Karl Perenthaler, Bernd Maltry und nicht zuletzt bei Fritz Dobler. Lehrgangserfahrung im Sinfonischen und bei der Blasmusik runden das Bild ab.

Johannes Baumann ist Landesdirigent von Baden-Württemberg, Mitglied im Musikausschuss des Deutschen Harmonika Verbandes (DHV) und Juror bei nationalen und internationalen Musik-Wettbewerben. Mit seinem ihm eigenen direkten und unverbildeten Zugang auf das jeweilige Werk hat er das Orchester seit Übernahme des Dirigats auf eine völlig neue Spiel- und Interpretationsebene gehoben.

Johannes Baumann führt das Hohner-Orchester mit emotionalen und begeisternden Aufführungen immer wieder zu beachtlichen Erfolgen und wagt dabei den heute mehr denn je geforderten Spagat zwischen Tradition und Innovation.